Jenni Arne ist 53 und ausgebildete Tänzerin. Heute unterrichtet sie vor allem. Sie hat zwei Festanstellungen, regelmässige Engagements und ist selbstständig: «Manchmal habe ich am gleichen Tag drei Einsätze an drei verschiedenen Orten.».
Die Mutter einer Teenagerin wird kaum Rente haben. Als ihr das dämmerte, fing sie an, jeden Monat 100 Franken auf ein 3.-Säule-Konto einzuzahlen. Und sie schloss sich einer freiwilligen Pensionskasse für Künstlerinnen und Künstler an. Ihr Altersguthaben: rund 30'000 Fr. «Ich wünschte, ich hätte mich früher darum gekümmert», sagt sie, «aber ich war auf das Einkommen angewiesen und habe mich auch nicht dafür interessiert».
Ähnlich und doch anders ist es beim 38-jährigen Reto Stalder. Er ist technischer Zeichner, Schauspieler und selbstständiger Finanzberater und hat in seinen drei Berufen drei Pensionskassen. Ausserdem spart er via 3. Säule und investiert an der Börse. «Bei den Pensionskassen habe ich knapp 70'000 Franken», erzählt er, «mir wurde früh klar, dass ich mich um meine Altersvorsorge selbst kümmern muss.»
«In der Schweiz arbeiten die Menschen zunehmend flexibler. Das wirkt sich auch auf die berufliche Vorsorge aus.»
Die Beispiele sind symptomatisch für die Probleme der beruflichen Vorsorge. Heute werden erst Jahreseinkommen über 22'000 Franken obligatorisch versichert. Die Hürde gilt für jede Anstellung, sodass Leute auch mit mehreren kleinen Pensen durch die Maschen fallen. Die BVG-Reform will das ändern.
Das sei ein erster Schritt, sagen Vorsorgefachleute. Das heutige Arbeitsmodell, bei dem man ein Leben lang hochprozentig bei einem Arbeitgeber angestellt ist, sei überholt, sagt etwa Yvonne Seiler Zimmermann von der Universität Luzern: «Die Leute wollen Berufs- und Privatleben besser aufeinander abstimmen.» Teilzeit zu arbeiten, öfter die Stelle zu wechseln, längere Unterbrüche zu haben oder mehrere berufliche Standbeine – das werde bald der Normalfall sein.
Alles zu kompliziert – das findet auch Beat Bühlmann, der selbst Vorsorgelösungen anbietet: «Das Hauptproblem ist, dass die berufliche Vorsorge um die Unternehmen herum aufgebaut ist und nicht um die Bedürfnisse der arbeitenden Person.» Er propagiert darum einen Systemwechsel: Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmer sollen wie bisher Beiträge leisten, aber das Alterssparkonto wäre bei einem selbst.
«Man könnte die Pensionskasse selbst wählen – und würde sich auch mehr für dieses Geld, das einem ja gehört, interessieren», ist Bühlmann überzeugt. Mehr mitreden hiesse allerdings auch, sich vermehrt informieren zu müssen: Etwa darüber, welche Pensionskassen man möchte oder wie das Geld angelegt werden soll, mit mehr oder weniger Risiko zum Beispiel.
Die einen dürfte das ansprechen, wie den Schauspieler und Finanz-Blogger Reto Stalder. Andere wie die Tanzlehrerin Jenni Arne wohl weniger.
Ebenfalls eine Herausforderung wäre es, das bestehende System in das neue zu überführen. Beat Bühlmann spricht von einem neuen Haus, das zu beziehen sei: «Wer möchte, könnte im alten Haus bleiben; aber ich bin überzeugt, dass das neue Haus das bessere wäre und früher oder später alle Leute den Umzug vorziehen.»
Wie realistisch der Systemwechsel ist, sei dahingestellt. So viel ist klar: Die heutige berufliche Vorsorge passt schlecht zu den Arbeitsrealitäten von morgen.
Quelle: «SRF», Susanne Schmugge, 2024
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