Das Problem, das sich bei Kündigung älterer Mitarbeitenden stellt, ist einfach erklärt. Ältere Mitarbeitende haben oft mehr Mühe, eine neue Stelle zu finden, als jüngere und sind deshalb bedeutend länger arbeitslos. Gemäss einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) aus dem Jahr 2020 lag die durchschnittliche Dauer des Bezugs von Arbeitslosentaggeldern bei den 55- bis 62-Jährigen bei 8,3 Monaten und bei den 63- bis 64-Jährigen bei 12,0 Monaten. Bei den jüngeren Arbeitslosen beträgt die durchschnittliche Taggeldbezugsdauer 6,1–7,1 Monate.
Ein weiteres Diagramm dieser Studie zeigt, wie viele Langzeitarbeitslose (mehr als ein Jahr arbeitslos) es in den verschiedenen Alterskategorien gibt. Hier zeigt sich, dass bereits bei den 55- bis 59-Jährigen ein Anstieg von 4,5% zu verzeichnen ist (von 17,7% auf 23,2%). Noch markanter ist der Anstieg bei den über 60-jährigen Arbeitslosen. Von allen über 60-Jährigen ist mehr als ein Drittel (36,2%) über ein Jahr arbeitslos. Diese Problematik hat auch das Bundesgericht erkannt und deshalb im Jahr 2005 einen Grundsatzentscheid gefällt, gemäss dem Mitarbeitenden, die kurz vor der Pensionierung stehen und viele Dienstjahre beim gleichen Arbeitgeber gearbeitet haben, von einer erhöhten Fürsorgepflicht profitieren sollen und der Arbeitgeber sein Kündigungsrecht schonend auszuüben hat. Dies war der Anstoss für etliche Gerichtsklagen älterer gekündigter Mitarbeitender, welche nachfolgend analysiert werden.
Als Erstes ist der rechtliche Rahmen zu bestimmen, in dem sich das Ganze abspielt.
Wann gilt jemand als älterer Mitarbeitender? Im Gesetz findet man keine direkten Angaben, ab welchem Alter jemand als älterer Mitarbeitender gilt, aber es gibt immerhin einige Hinweise:
Im Obligationenrecht wird eine Abgangsentschädigung erwähnt, sofern das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre gedauert hat und der Mitarbeitende mindestens 50 Jahre alt ist – dies hat aber aufgrund des Pensionskassenobligatoriums an Bedeutung verloren (Art. 339b Abs. 1 OR). Im Arbeitslosenversicherungsgesetz ist geregelt, dass Arbeitslosen über 55 Jahren 520 Taggelder ausbezahlt werden anstatt 260 bzw. 400 (Art. 27 Abs. 2 AVIG). Weiter wird im Gesetz über die berufliche Vorsorge festgehalten (Art. 47a BVG), dass
gekündigte Mitarbeitende ab dem 58. Lebensjahr auf eigene Kosten in der Pensionskasse ihres bisherigen Arbeitgebers verbleiben können (der Vorteil ist, dass sie dann eine Rente beziehen können, was bei den meisten Auffangeinrichtungen nicht möglich ist). Zudem gibt es in einigen Gesamtarbeitsverträgen (GAV) spezielle Regelungen für ältere Mitarbeitende. So gibt es z.B. im Baugewerbe die Möglichkeit eines flexiblen Altersrücktritts (FAR) für 60-Jährige. Und im GAV der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) gibt es sogar spezielle Vorschriften vor dem Aussprechen einer Kündigung von über 55-jährigen Mitarbeitenden (Art. 25.5).
Im Vergleich zu unseren Nachbarländern haben wir in der Schweiz ein äusserst liberales, arbeitgeberfreundliches Kündigungsrecht. Es ist beherrscht vom Prinzip der Kündigungsfreiheit, welches besagt, dass es keinen Kündigungsgrund braucht, um eine Kündigung auszusprechen. Solange die vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten wird, können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer dem anderen grundlos kündigen. Die Kündigung muss erst (schriftlich) begründet werden, wenn die andere Partei dies verlangt. Vom Gesetz her werden grundsätzlich alle Arbeitnehmer gleichbehandelt. Es gibt also keine verschiedenen Kündigungsregeln, die unterscheiden, ob jemand alt oder jung ist, Frau oder Mann, Kader oder Nichtkader, schlecht oder gut ausgebildet, unterstützungsbedürftige Kinder hat oder in einem sogenannten DINK-Haushalt lebt (Double Income No Kids). Die Kündigungsregeln sind von Gesetzes wegen für alle die gleichen. Die Kündigungsfreiheit gilt jedoch nicht absolut. Sie ist zeitlich und sachlich begrenzt.
Die zeitliche Begrenzung bedeutet, dass während bestimmter Sperrfristen das Aussprechen einer Kündigung nicht möglich ist. Typische Sperrfristen sind beispielsweise Krankheit, Unfall, Schwangerschaft und Mutterschaft. Eine Kündigung, die während einer Sperrfrist ausgesprochen wird, ist nichtig. Eine solche Kündigung entfaltet keine Wirksamkeit. Es ist, als ob sie gar nie ausgesprochen worden wäre.
Die sachliche Begrenzung einer Kündigung bedeutet, dass sie nicht missbräuchlich sein darf. Eine Kündigung ist dann missbräuchlich, wenn einer der in Art. 336 Abs. 1 und 2 OR aufgelisteten Fälle erfüllt ist oder wenn ein anderer Grund gegeben ist, der einen ähnlichen Schweregrad aufweist und die Kündigung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt. Im Unterschied zur nichtigen Kündigung, die keine Wirksamkeit entfaltet, bleibt die missbräuchliche Kündigung gültig, sie kann aber eine Strafzahlung von maximal sechs Monatslöhnen zur Folge haben. In der Praxis häufig vorkommende Beispiele missbräuchlicher Kündigungen sind:
Und hier hat das Bundesgericht in seinem Leading Case aus dem Jahr 2005 (BGE 132 III 115) eingehakt und zum ersten Mal eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern definiert, die von einer erhöhten Fürsorgepflicht profitieren sollen – die älteren Mitarbeitenden mit vielen Dienstjahren.
Quelle: WEKA, Roy Levy, 2025
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