Zunächst ist eine konsequente Nutzung des vorhandenen Beschäftigungspotenzials anzustreben: Erfahrene ältere Beschäftigte, die einer Weiterbeschäftigung offen gegenüberstehen, sind mit geeigneten Anreizen und einer präventiven Gesundheitsförderung länger im Erwerbsleben zu halten. Die zweite Strategie zielt auf die jüngeren Nachfolgegenerationen ab: Für sie sind neue Beschäftigungspotenziale zu schaffen. Zeitlich und örtlich flexible Arbeitsformen müssen dann so gestaltet sein, dass Arbeitgeberattraktivität und die Bindung an das Unternehmen erhöht werden.
Das tönt gut, aber ist es auch umsetzbar und realitätskonform? Verfügen ältere Beschäftigte der Boomer-Generation über die erforderliche mentale und körperliche Fitness und Motivation, um länger im Beruf zu bleiben? Sind die jüngeren Nachfolgegenerationen X, Y und Z entsprechend leistungsbereit und fähig, die Fachkräftelücke zu schliessen? Ist die Unternehmensführung willens sowie strategisch und operativ darauf vorbereitet, entsprechende Massnahmen einer motivations- und gesundheitsförderlichen Gestaltung hybrider Arbeit (Präsenz und Home-Office) einzuleiten, bedarfsgerechte Weiterbildung anzubieten oder finanzielle Anreize zu schaffen?
Aussagekräftig und gesichert ist die Befundlage altersbedingter Veränderungen der beruflichen Leistungsfähigkeit bei 55- bis 70-Jährigen in den biologischen und physiologischen Grundfunktionen. Allein aus einem Nachlassen sensorischer, motorischer und kognitiver Funktionen lässt sich aber keineswegs eine grundsätzliche altersbedingte Verschlechterung der beruflichen Leistung ableiten.
«Den Unternehmen muss es darum gehen, Motivation, Qualifikation und Gesundheit der Erwerbstätigen generell zu fördern.»
Verantwortlich dafür sind kompensatorische Ressourcen und Potenziale aufgrund erfahrungsgebundenen Wissens, körperlicher und geistiger Aktivitäten und gesunder Ernährung. Auch ein Arbeitsumfeld, das sich durch eine wertschätzende Feedback-Kultur, vorurteilsfreies, faires und vertrauensvolles Führungsverhalten sowie eine stimulierende und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung auszeichne, zeige deutlich positive Effekte – so die Arbeitsforschung.
Das Thema ist für die Wirtschaft eigentlich nichts Neues: Vorausschauende Unternehmen legen schon heute altersdifferenzierte, wohlklingende Programme auf, wie «Silverline», «Midlife Power» oder «50plus – die können es!». Und von Sozialpartnern, Berufsgenossenschaften oder Versicherungsträgern wurden auch schon vielfältige Leitlinien, Checklisten, Analysetools und Handlungshilfen zur Bewältigung des demografischen Wandels in Unternehmen zur Verfügung gestellt.
Jüngere Befragungen lassen aber darauf schliessen, dass viele Führungskräfte und Entscheidungsträger insbesondere in kleineren mittelständischen Unternehmen diesbezüglich zögerlich sind. Sie sehen sich noch nicht ausreichend vorbereitet, solche Aktionen auch zur erforderlichen Deckung des Fachkräftebedarfs in ihrer Organisation zu nutzen oder sich mit den generationenspezifischen beruflichen Präferenzen und Wünschen der Belegschaft auseinanderzusetzen.
Nun liefern Umfragen von Generationenforschern und Demoskopen oft aufschlussreiche gesellschafts- und sozialpolitische Einsichten, dies traditionell auch für die Werbe- und Marketingbranche. Dabei kommt es aber immer wieder zu oberflächlichen, pauschalisierenden Kategorisierungen. Die Babyboomer-Generation (56- bis 70-Jährige) wird dabei mit den jüngeren Generationen wie Gen X (42- bis 56-Jährige), Gen Y (27- bis 41-Jährige) und Gen Z (13-bis 26-Jährige) verglichen.
Daraus ergeben sich dann Generationenzuschreibungen wie «konsumorientiert und ehrgeizig» für die Generation X, «Social-Media-abhängig und vulnerabel» sowie «selbstbewusst, fordernd und genussorientiert» für die Generation Z, «multioptional und egotaktierend» für die Generation Y und schliesslich «werteorientiert, loyal und statusfixiert» für die Babyboomer-Generation. Solche oft auf methodisch zweifelhaften Online-Umfragen oder Telefoninterviews basierenden Kategorisierungen und Vergleiche verstärken Vorurteile in der Gesellschaft, indem etwa jüngere Generationen als faul und weniger leistungsfähig abgestempelt werden und Älteren generell Abbau, Verlust und Schwäche zugeschrieben werden.
Letztlich muss es Unternehmen darum gehen, Motivation, Qualifikation und Gesundheit der Erwerbstätigen generell zu fördern. Es sind dies die Stellschrauben eines erfolgreichen Alters- und Generationenmanagements in den Organisationen. Eine kluge, vorausschauende Unternehmensstrategie zielt auf die Passung («matching») individueller Bedürfnisse, Leistungsfähigkeit und Lebensmodelle mit den Arbeitsanforderungen und Kompetenzmodellen der Unternehmen – die sich oft auch in einer digitalen Transformationsphase befinden.
Neue Karrierepfade und bedarfsgerechte Weiterbildungsprogramme sind zu entwickeln, um auch Quereinsteigern einen beruflichen Aufstieg innerhalb der Organisation zu ermöglichen. Es bedarf einer altersdifferenzierten, belastungsarmen und beeinträchtigungsfreien ergonomischen Gestaltung von Arbeitsmitteln und Software.
Zeitlich und örtlich flexible Modelle hybrider Arbeit sind umzusetzen, um eine möglichst grosse Harmonisierung von Arbeit, Familie und Freizeit zu erreichen. Schliesslich dienen all diese Gestaltungsempfehlungen und Aktionen dazu, die Arbeitgeberattraktivität zu steigern und Anreize durchmotivierende und gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit Jüngere sich vermehrt bewerben und Ältere in der Organisation verbleiben.
Quelle: «NZZ», Karlheinz Sonntag, 2024
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