smart@work: Wie Unternehmen weibliche Führungskräfte fördern können
Spätestens mit der Einführung des Geschlechterrichtwertes Anfang 2021 für börsennotierte Unternehmen ist das Thema des Frauenanteils in Schweizer Chefetagen wieder in aller Munde. So sollen mindestens 30 Prozent des Verwaltungsrates und 20 Prozent der Geschäftsleitungen bis 2031 aus Frauen bestehen. Halten sich Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt nicht an den Richtwert, so sind sie dazu verpflichtet, die Diskrepanz in ihrem Geschäftsbericht zu begründen und konkrete Verbesserungsmassnahmen darzulegen. Laut einer Studie ist das jetzige Wachstum des Frauenanteils in den Führungsetagen aber zu langsam. Daher stellt sich die Frage, wie Unternehmen den Trend beschleunigen können. smart@work zeigt auf, was Unternehmen tun können, um für weibliche Führungskräfte attraktiver zu werden sowie deren Karriere und Entwicklung aktiv zu fördern.
Frauenanteil in Chefetagen im internationalen Vergleich
Schweizer Top-Unternehmen hinken im internationalen Vergleich hinterher. Innerhalb der 20 Unternehmen des Börsenbarometers SMI beträgt der Frauenanteil in Führungsetagen zurzeit 13 Prozent, laut eines Berichts von Russel Reynolds.
Unternehmen in den Nachbarländern Frankreich, Deutschland und Italien schneiden im Vergleich besser ab. In Frankreich sind etwa ein 20 Prozent der Jobs in den Chefetagen der im CAC-40-Index gelisteten Unternehmen weiblich besetzt. Im deutschen DAX 30 sind es 15,3 Prozent und im italienischen FTSE MIB sind es mit 13,1 Prozent ebenfalls knapp mehr als in der Schweiz. Den höchsten Wert verzeichnet man in Norwegen: So hatten die Unternehmen im norwegischen OBF-Index mit 29,6 Prozent den höchsten Frauenanteil.
Gemäss der Hochrechnung würde es noch 20 Jahre dauern, bis alle SMI-Unternehmen den Richtwert von 20 Prozent erreicht haben.
Laut der Studie von Russel Reynolds sind die Entwicklungen in der Schweiz noch zu langsam. Gemäss der Hochrechnung würde es noch 20 Jahre dauern, bis alle SMI-Unternehmen den Richtwert von 20 Prozent erreicht haben.
Flexible Arbeitszeitmodelle – auch auf der Führungsebene
Viele hochqualifizierte Frauen verzichten auf Führungspositionen, weil sie das Gefühl haben, dadurch die gewünschte Flexibilität in ihrem Privatleben zu verlieren. Besonders Mütter sehen sich oft gezwungen, zwischen Karriere oder Familie zu entscheiden. Dem muss aber nicht so sein. Flexible Arbeitszeitmodelle bieten sich als Lösung an, um Frauen den Einstieg oder die Rückkehr in eine Führungsposition zu erleichtern. Solche Modelle können sich aus verschiedenen Massnahmen, wie etwa Gleitzeitmodellen, Home Office oder Kinderbetreuungsangeboten zusammensetzen. Flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen es Eltern auch, sich einfacher mit dem Partner / der Partnerin zu organisieren und die täglichen Aufgaben der Kindererziehung besser aufzuteilen. Mit der Einführung solcher Massnahmen können Unternehmen weibliche Führung aktiv fördern. Die Work-Life-Balance ist generell ein immer stärker diskutiertes Thema in der heutigen Arbeitswelt – und das gilt natürlich auch für Führungsetagen.
Flexible Arbeitszeitmodelle bieten sich als eine Lösung an, um Frauen den Einstieg oder die Rückkehr in eine Führungsposition zu erleichtern.
Mit der Pandemie hat sich gezeigt, dass die Arbeitsverlagerung ins Home Office bei Unternehmen im Grossen und Ganzen gut funktioniert hat. Vor zwei Jahren wäre ein solcher Wandel wohl kaum vorstellbar gewesen. Unternehmen haben allen Grund eine hochqualifizierte Kandidatin für eine Führungsposition im Bewerberprozess zu berücksichtigen, da Frauen die Mehrheit der Hochschulabsolventen stellen. Selbst dann, wenn die Kandidatin nicht in bisher etablierten traditionellen Arbeitsmodellen arbeiten möchte. Daher empfiehlt es sich für Unternehmen, diese neuen Rahmenbedingungen zu schaffen und weibliche Führungskräfte dadurch gezielt zu unterstützen.
Aus erster Hand: Teilzeit als weibliche Führungskraft
«Teilzeit sollte auf jeder Hierarchie-Stufe möglich sein», kommentiert Anja Müller, Chief HR Officer und Mitglied der Geschäftsleitung bei Work Selection. Müller spricht aus Erfahrung, denn sie arbeitet selbst bei 80%-Pensum: «Der zusätzliche freie Tag ist «Me-Time» – Also bewusste Zeit für mich, in der ich Energie tanke und mir erlaube, auch mal nichts zu tun. Ich achte auf meinem Körper und Geist und bin dadurch gestärkt im Arbeitsalltag». Anja Müller lebt vor, dass ein Teilzeitpensum und eine Führungstätigkeit durchaus vereinbar sind.
Gezielte Förderung durch Coaching- und Mentoring-Programme
Unternehmen, welche den Anteil an Frauen auf allen Führungsebenen erhöhen möchten, können dies auch durch Mentoring Programme und gezieltes Coaching anregen. Dadurch unterstützen sie Mitarbeiterinnen, sich aktiv Fähigkeiten anzueignen und sich verstärkt zu Führungspersönlichkeiten zu entwickeln. Die Programme können verschiedene Formen annehmen, wie etwa Führungsausbildungen, Peer-Mentoring oder Netzwerkbildung.
Mentoring-Programme dienen dazu, Mitarbeiterinnen die Möglichkeit zu geben, sich aktiv Fähigkeiten anzueignen und sich verstärkt zu Führungspersönlichkeiten zu entwickeln.
Grundsätzlich geht es beim Mentoring darum, Mitarbeiterinnen gezielt zu fördern, sie von den Vorteilen einer Führungsposition noch stärker zu überzeugen und sie auf dem Weg in die Führungsebene aktiv zu begleiten. Dies geschieht dadurch, dass den Mitarbeiterinnen eine Person als Mentor zur Seite gestellt wird, welche ihre individuellen Bedürfnisse adressiert. Solche Mentoring-Programme bieten ein Coaching «auf Augenhöhe», da die Inhalte gemeinsam erarbeitet werden. Ziel dieses Personalentwicklungsinstruments ist, Frauen beruflich zu fördern. Beispielsweise eine gezielte Karriereplanung, das Aufzeigen von Aufstiegsmöglichkeiten oder die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Förderungsprogramme können viele Formen annehmen und sind ein aktives Tool für Unternehmen, um Frauen als Führungskräfte zu fördern.
Starke weibliche Vorbilder finden
Studien haben gezeigt, dass ein erhöhter Frauenanteil in Führungspositionen die Aufstiegschancen für andere Frauen im Unternehmen ebenfalls steigert. Topmanagerinnen nehmen eine Vorbildrolle im Unternehmen ein und bringen sich selbst und ihre Erfahrungen aktiv ein. Zurückführen lässt sich dies auf den sogenannten «Role-Model-Effekt»: Je diverser die Menschen in der Führungsstufe – sei dies nun in Bezug auf Geschlechter, Alter oder Ethnizität – desto einfacher können sich die Mitarbeitenden mit ihnen identifizieren. Deshalb ist der Wert von starken Vorbildern für Frauen nicht zu unterschätzen.
Schaut man sich in den oberen Chefetagen von Grossunternehmen um, so gibt es einige «Power-Frauen», die genau solch eine Vorbildfunktion haben und diese bewusst erfüllen. Eine dieser Frauen ist die Topmanagerin Barbara Frei, Europachefin von Schneider Electric. Die 51-Jährige behauptete sich zunächst in ihrer Karriere erfolgreich als Maschinenbauingenieurin – einer klassischen Männerdomäne – und schaffte es bis in die Chefetage des internationalen Grosskonzerns. In einem Interview mit Radio SRF 4 News äussert sich die Topmanagerin zur Frage, wie sie Frauen in Technik-Berufen fördern will: «Ich hoffe schon, dass ich ein Vorbild bin. Ich wollte Frauen weitergeben, dass technische Berufe eine tolle Richtung sind.» Und auch zum Thema Diversität in Unternehmen betont Frei: «Heutzutage muss ein Unternehmen Diversität aufweisen, um erfolgreich zu sein.» Starke Rollenvorbilder wie Barbara Frei besitzen eine erhebliche Signalwirkung in Unternehmen und sie zu fördern, bedeutet damit auch andere weibliche Angestellte zu stärken.
Tipp
Hier finden Sie das spannende Interview von Radio SRF 4 News mit Topmanagerin Barbara Frei. Sie erzählt über ihren Werdegang, das Manager-Leben und wie die Energiewende sie inspirierte, einen damals ungewöhnlichen Weg einzuschlagen.
Personalabteilung als Chance für mehr weibliche Führungskräfte
Im aktuell von Fachkräftemangel geprägten Arbeitsmarkt sind Arbeitnehmer in einer starken Position. Dadurch werden Themen wie Human Capital, Employer Branding und Retention Management zusehends wichtiger. Personalleiter/innen sind jedoch in Unternehmen mit eigener Personalabteilung oftmals nicht im Management vertreten. Es bietet sich daher an, den wichtigen HR-Themen mehr Bedeutung zu schenken und die Personalleitung als festen Bestandteil der Unternehmensführung zu integrieren. Für das Unternehmen ist dieses starke Signal gegen aussen auch als wirkungsvolles Employer Branding. Hinzu kommt, dass Frauen in Personalabteilungen und deren Führung überdurchschnittlich stark vertreten sind, wie eine Studie aus Deutschland zeigt. Die Personalabteilung stellt somit eine grossartige «Chance» für viele Unternehmen dar, um dem stark weiblich besetzten Bereich HR einen stärkeren Stellenwert in der Geschäftsführung zu geben und gleichzeitig gezielt weibliche Karrieren zu fördern. Durch den im vorhergehenden Absatz beschriebenen Role-Model-Effekt auch unternehmensweit.
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