Hier sollte man durchaus unterscheiden, denn Arbeitszufriedenheit und Arbeitsglück sind nicht dasselbe. Als zufrieden gelten Mitarbeiter, wenn sie erreichen, was von ihnen erwartet wird. Wenn erwartbare Leistungen mit erwartbarer Bezahlung zusammentreffen. Bei solcherart «zufriedenen» Angestellten kann es sogar sein, dass sie ihre Ansprüche, ihre persönlichen Ziele und Ambitionen herunterschrauben, damit sie sich (zumindest einigermassen) arrangieren können mit ihrem Job.
Viele von ihnen dürften sich ihre Arbeit schönreden. Sie versuchen, das Beste daraus zu machen. Sie sagen sich, dass es schlimmer sein könnte. Pragmatisch bleiben, Kompromisse eingehen, bloss nicht nach den Sternen greifen, da man ja enttäuscht werden könnte. Für diese Haltung hat die Arbeitspsychologie bereits in den 1970er Jahren einen Begriff geprägt: «resignative Arbeitszufriedenheit».
Die Berliner Glücksforscherin Ricarda Rehwaldt hingegen will herausfinden, was Glück- und nicht Zufriedenheit – bei der Arbeit ausmacht. Resultat der Tausenden von Datensätzen von Angestellten, Führungskräften und Topmanagern, die die Psychologin ausgewertet hat: Glück in Unternehmen entsteht durch drei Bedingungen – erstens, wenn Mitarbeitende ihre Arbeit als sinnvoll empfinden; zweitens, wenn sie sich selber verwirklichen können; und drittens, wenn sie sich in ihren Teams als Gemeinschaft verstehen.
«Mitarbeitende seien glücklich, wenn sie selber entscheiden, Ideen einbringen und ihre Stärken ausspielen könnten und wenn sie das Gefühl hätten, dass ihr Job sie persönlich weiterbringe.»
Ricarda Rehwaldt
Wenig überraschend und dennoch eindrücklich ist die Erkenntnis der Forscherin, dass Selbstverwirklichung desto geringer ausfällt, je grösser die Unternehmen sind. Compliance, mehr oder weniger sinnvolle Verwaltungsaufgaben, eine lähmende Dienst-nach-Vorschrift-Kultur, direkte Vorgesetzte und Kollegen, die einem häufig aus guten Gründen, aber noch öfter aus Prinzip dreinreden, statt einen machen zu lassen – wer kennt das nicht?
Oder wenn Projekte in arbeitsteiligen Betrieben derart zerstückelt werden, dass die eine Abteilung kaum mehr nachvollziehen kann, wozu sie das, was sie grade macht, eigentlich macht – von der Sinnkrise einzelner Mitarbeiter eines solchen Teilvorhabens ganz zu schweigen («Was mache ich eigentlich hier?»).
Rehwaldt sieht hier die Führungskräfte in der Pflicht: Sie müssen ihren Mitarbeitern immer wieder vermitteln, wie und warum sich was am Ende zu welchem Produkt der Firma zusammenfügen soll. Rehwaldt sagt: «Der Blick aufs grosse Ganze geht häufig verloren.»
Arbeitsglück kann zwiespältig sein. Im Gegensatz zur Bildung kommen Mitarbeitende des Gesundheitswesens weniger dazu, ihre Ideale in ihren Jobs auch tatsächlich umzusetzen: Ihre Vorstellungen einer eingehenden Patientenbetreuung kommen im durchgetakteten Alltag in Spitälern und Pflegeeinrichtungen häufig zu kurz. Sie haben weniger Handlungs- und Entscheidungsspielraum als Lehrerinnen, die trotz zunehmenden Vorgaben immer noch weitgehend selber bestimmen können, wie sie ihre Schüler unterrichten. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich, wenn man zwischen Frauen und Männern unterscheidet. Daten von Rehwaldts Beratungsunternehmen Felicicon deuten darauf hin, dass Frauen ihre Arbeit zwar eher für sinnvoll halten als Männer.
Sie können sich in ihren Jobs aber viel weniger selber verwirklichen – mit dem Resultat, dass ihr Arbeitsglück in der Endabrechnung weniger ausgeprägt ist als jenes der männlichen Befragten.
Die Antwort lautet: jein. Mehr Gehalt bedeutet nicht, dass die Werte der drei Glückskategorien signifikant steigen würde. Einzige Ausnahme ist Selbstverwirklichung – ein Luxus, den sich Geringverdiener offenbar weniger leisten können als Erwerbstätige mit einem höheren Gehalt.
Rehwaldt ergänzt, dass der Glückswert der Selbstverwirklichung weiter steige, sobald Personen mit einem sechsstelligen Jahresgehalt in der Darstellung berücksichtigt würden – zum Beispiel Unternehmer, die einerseits viel verdienen und als Inhaber ihrer eigenen Firma naturgemäss auch sehr viel selber bestimmen können. Auch hier wird deutlich: Entscheidungsfreiheit ist ein starker Treiber, der arbeitende Menschen glücklich macht.
«Entscheidungsfreiheit ist ein starker Treiber, der arbeitende Menschen glücklich macht.»
Bleibt die Frage, was Firmen aufgrund solcher Erkenntnisse zu tun gedenken – beziehungsweise, ob derlei Resultate der Glücksforschung überhaupt bis zu ihnen vorgedrungen sind. Die meisten Unternehmen geben sich damit zufrieden, wenn ihre Angestellten sich selber in Mitarbeiterumfragen als zufrieden bezeichnen. Doch ob sie auch glücklich sind in ihren Jobs, das fragen sich die wenigsten Arbeitgeber. Hier gibt es noch viel zu tun. Rehwaldt sagt: «Auf einer Skala von 1 bis 10 stehen wir hier immer noch bei 1.»
Einige Branchen kommen allerdings nicht umhin, sich auch um diese vermeintlich weichen Faktoren zu bemühen. IT-Firmen beispielsweise, deren Bedarf an ebenso klugen wie kreativen Köpfen besonders gross ist, können gar nicht anders, als ihren Mitarbeitern ein Umfeld zu bieten, das nicht nur zufrieden, sondern vielleicht sogar glücklich macht. Der Fachkräftemangel zwingt sie fast dazu.
Ricarda Rehwaldt ist überzeugt, dass auch Unternehmen anderer Branchen mit wenig Aufwand viel erreichen könnten. Denn: Glückliche Mitarbeiter nagen weniger an Konflikten, dafür sind sie offen für Neues und haben mehr Ideen als jene, die nur «zufrieden» sind. Eine positive Grundstimmung kann ansteckend wirken. Glücksmomente bei der Arbeit steigern die Motivation und das Engagement der Angestellten – und damit auch deren Leistung.
Übrigens, das Wort «Arbeit» stammt aus dem Germanischen: «araþi», Mühsal, Plage. Dieser Konnex hat sich tief eingegraben in unserer Kultur: Arbeit muss irgendwie mühsam sein, sie sollte ja nicht zu viel Freude bereiten, denn schliesslich machen wir sie nicht zum Spass...
Vielleicht ist es an der Zeit, diese Haltung hinter sich zu lassen. Vielleicht sollten Firmen und Mitarbeiter ambitionierter sein – damit wir nicht nur zufrieden, sondern glücklich werden können bei der Arbeit.
Quelle: Robin Schwarzenbach, «Neue Zürcher Zeitung», 08.06.2022 (hinter der Bezahlschranke)
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